weblog.tuerzu-undlos.de

Paderborn - Salzkotten - Wewelsburg

Endlich ging es wieder auf die Jakobsstrecke. Mit dem Zug fuhren wir nach Paderborn. Wir waren recht früh unterwegs. Dementsprechend hatten wir vor Antritt der Reise nur eine Kleinigkeit gefrühstückt. Wir suchten uns ein Café direkt gegenüber dem Bahnhof. Die nette Dame des Café Maritz war noch in den Vorbereitungen, nahm unsere Sonderwünsche dennoch sehr ernst und servierte uns: Frische Waffeln mit heißen Kirschen, einer Kugel Vanilleeis und richtig viel Sahne! Dazu gab es einen Cappuccino mit Milchhaube für einen perfekten Start in unsere heutige Etappe.

Paderborn_01_Fr_hst_ck.jpg

Dieses Mal hatte ich die Unterkünfte vorgebucht. Wir wollten nicht wieder so eine Überraschung wie in Bad Driburg erleben, wo sonntags die Jugendherberge geschlossen hat und auch die "Notfallnummer" nicht erreichbar ist. Im Internet fand ich eine tolle Jugendherberge, die angeblich direkt auf der Pilgerstrecke liegt: Die geschichtsträchtige Wewelsburg! Die Fotos im Internet waren hübsch anzusehen und das Buchen des Zimmers verlief sehr problemlos.

Paderborn_05_Wewelsburg.jpg

Mit großer Vorfreude auf das tolle Nachtlager reisten wir nach Paderborn und latschten gleich Richtung Salzkotten los. Wir machten Witze darüber, dass wir die Burgfräulein sein würden. Die Wewelsburg ist Deutschlands einzige Dreiecksburg. Christiane aktivierte ihren Schrittzähler am Dom von Paderborn. Nach etwa 4 Stunden und 15 km erreichten wir bereits unser Ziel: Die Stadt Salzkotten. Erst jetzt interessierten wir uns für den Standort der Wewelsburg.

Ich traute meinen Augen kaum, denn meine Navigations-APP zeigte einen 10 km langen Fußweg entlang einer Landstraße an. Christiane sagte ermutigend, dass sie sowieso noch nicht genug gewandert sei und schon folgten wir wie zwei Perlen am Band der Landstraße, die stetig bergauf ging, am Flughafen Paderborn vorbei zu dem schönen Örtchen namens Büren-Wewelsburg. 10 km stetig bergauf bedeutete für uns weitere 2,5 Stunden wandern.

Paderborn_02_Weg_zur_Wewelsburg.jpg

An einem hübschen Bauernhof, an dem wir kurz rasteten, hielt ein schicker silberfarbener Wagen in sportlicher Ausführung mit einem jungen Mann am Steuer, der eine schwarze Sonnenbrille trug. Der junge Mann fragte freundlich, ob er uns ein Stück mitnehmen könnte. Ich guckte Christiane an, die gerade ihre Lippen zu einem ebenso freundlichen "Joah!" spitzte, und hörte mich sagen: "Wir sind Wanderinnen, wir gehen zu Fuß!" Die Räder des Sportmodells drehten im trockenen Splitt durch, sodass sich der junge Fahrer regelrecht aus dem Staub machte. Chance verpasst!!!

Der Anstieg zu dem Ort war so anstrengend, dass wir froh waren, als wir einen kleinen Supermarkt fanden, in dem wir uns mit frischem Wasser eindecken konnten. Christiane suchte sich noch einen leckeren Joghurt aus, den eine nette Verkäuferin dann aus dem vorletzten Gang wischen konnte. Er war Christiane aus der Hand gerutscht und lag nun wie ein rosa Farbfleck auf den Shopfliesen. Wir waren wirklich sehr erschöpft.

Paderborn_03_Supermarkt.jpg

Erst, als wir fast angekommen waren, konnten wir die Burg sehen. Plötzlich stand sie vor uns! Der Blick durch die Häuserreihe war sehr beeindruckend. So groß hatte ich mir die Burg und das Drumherum nicht vorgestellt. Als wir uns angemeldet hatten, wurden wir darüber informiert, dass wir das Historische Museum, das ebenfalls in dem Burgschloss untergebracht ist, kostenlos besuchen könnten. Leider war die Zeit recht knapp und wir mussten uns beeilen, denn sonst wären wir im Museum eingeschlossen worden.

Paderborn_04_Wewelsburg_im_Dorf.jpg

Paderborn_06_Wewelsburg_Ausstellung.jpg

Bevor wir uns zum Abendessen aufmachten, genossen wir noch Zeit auf unserem frisch renovierten Zimmer mit einem herrlichen Ausblick aus dem Schlossfenster. Plötzlich klopfte es und ein Schlüssel wurde in das Türschloss gesteckt. Christiane ging aufgeregt zur Tür und öffnete einem jungen Mann. Ich dachte schon, es wäre unser herbeigewünschter Prinz, aber Christiane wimmelte ihn ab. Sie sagte ihm sehr direkt, dass dieses unser Zimmer wäre und er sich einen anderen Schlüssel geben lassen sollte.

Paderborn_08_Wewelsburg_Ausblick.jpg

Auf sämtlichen Tischen im Speisesaal standen Namensschilder, so auch auf unserem. Die große Auswahl und die Frische der Lebensmittel ließ uns so richtig zuschlagen. Anschließend haben wir großen Spaß daran gefunden, zu beobachten, wie manch andere Gäste Schwierigkeiten mit der vorgegebenen Ordnung beim Abräumen des Geschirrs hatten. Christiane half gerne den dankbaren jüngeren Besucherinnen und Besuchern beim Einsortieren der benutzten Gegenstände.

Paderborn_07_Wewelsburg_Speisesaal.jpg

In dem komfortablen Zimmer mit großem Bad konnte man den restlichen Abend und die Nacht genießen. Wir waren wirklich zwei Burgfräulein in einem tollen Burgschloss. Obwohl wir an diesem Tag 10 km mehr gemacht hatten, als erwartet, hatten wir keinerlei körperliche Beschwerden und konnten am nächsten Morgen einfach unsere Wanderschuhe schnüren und nach einem reichhaltigen Frühstück weiterziehen.

 
  • Kommentar schreiben
  • Eintrag versenden

Paderborn

Ich habe fast die ganze Nacht feste geschlafen. Bevor mir die Augen zufielen, bemerkte ich noch anhand des Blinkens der kleinen LED-Leuchte, dass auf meinem Handy eine Nachricht eingegangen war. Während ich überlegte, ob ich mich jetzt nochmal aus der Bettdecke pellen sollte, schlief ich ein.

Mein Traum drehte sich um die eingegangene sms. Sie hatte einen kuriosen Inhalt und der Absender war anonym. Ich wurde zur erfolgreichen Detektivin und meine Phantasie strickte einen richtigen Krimi um die mysteriöse Nachricht. So aufregend der Traum war, so zerknittert war auch mein Betttuch. Ich war eingepackt wie eine Mumie, als ich morgens aufwachte.

Zum Glück hatte das Heilöl Wirkung gezeigt und mein Körper hatte sich über Nacht fast völlig regeneriert. Auch Christiane war überrascht, dass ihre Wehwehchen fast verschwunden waren. Nach dem Duschen ging es zum Frühstück in das beeindruckende Kellergewölbe. Zusammen mit Schulklassen ließen wir uns die Brötchen mit Kaffee und das Müsli mit Obst schmecken.

Wir hatten keine Eile mit dem Auszug, denn unser Plan war, dass wir uns gemütlich die Stadt Paderborn ansehen und anschließend die Heimreise antreten würden. Nach einer weiteren Tasse Kaffee zogen wir los zum Paderborner Dom. Von dort aus führen zahlreiche Infotafeln und Wegweiser durch die Stadt. Man kann sich an einem Vormittag gar nicht alles intensiv ansehen. Hier und da habe ich schöne Erinnerungsfotos geschossen und interessante Fakten zum Beispiel über das Rathaus gelesen.


Paderborn_04_Gymnasium_Theodorianum.jpg    Paderborn_05_Gymnasium_Theodorianum.jpg

Paderborn_06_Rathaus.jpg    Paderborn_07_Rathaus.jpg


Da der Paderborner SC in diesem Jahr in die  1.Bundesliga aufgestiegen war, hatte mein Papa mich beauftragt, eine Jahreskarte zu organisieren. Doch leider konnte ich im Dom "nur" einen hübschen Pilgerstempel ergattern. Schade, dass der SC Paderborn sich nur für eine Saison in der Liga halten konnte, denn jetzt, wo ich mich in der Innenstadt auskannte, schlug auch mein Herz für den SC <3

Vor der Zugfahrt kehrten wir noch in eine Bäckerei ein. Dort wurde uns ein leckerer Pflaumenkuchen mit viel Sahne angeboten. Das Stück war so riesig, dass ich nur die Hälfte schaffte. Die andere Hälfte aß ich später im Zug. Ich hatte ja auch beim Frühstück schon übertrieben. Wir ließen uns von einer netten Passantin den Weg zum Bahnhof erklären und zogen los.

Das war also unsere erste Etappe auf unserem Jakobsweg Richtung Santiago de Compostela. Auf der Rückfahrt ließen wir unsere Eindrücke noch einmal Revue passieren. Im Großen und Ganzen hat es sehr viel Spaß gemacht, der gelben Muschel auf blauem Hintergrund zu folgen. Es macht sogar etwas süchtig, täglich das Maximum zu geben, um voran zu kommen. Doch auch Pausen müssen sein und so verabredeten wir uns für das kommende Frühjahr, um weiter zu pilgern.

 
  • Kommentar schreiben
  • Eintrag versenden

Bad Driburg - Paderborn

Das Frühstück im Braunen Hirsch war wunderbar und reichhaltig. Tatsächlich forderte uns die Wirtin auf, Proviant für den Weg einzustecken. In der Stadt deckten wir uns zusätzlich mit Getränken ein und machten uns schon früh auf den Weg.

Paderborn_00_bergauf.jpg

Unsere Strecke führte uns Richtung Iburg. Es ist ja selbstverständlich, dass Burgen auf Bergen stehen, aber der Anstieg schaffte mich doch ganz schön. Oben angekommen, wurden wir mit einer wunderschönen Aussicht belohnt. Das Wetter war feuchtkalt und so rasteten wir nicht lange, denn wir hatten Bedenken, uns zu verkühlen. Während wir die Informationsschilder über die Burg studierten, kamen wir wieder zu Kräften und zogen kurze Zeit später weiter.

Paderborn_02_Iburg.jpg

Paderborn_01_Iburg.jpg

Nachdem wir den Abstieg hinter uns hatten, ging es recht lange geradeaus. Kaum ein Baum oder ein Strauch war zu finden, den man zum Erleichtern nutzen konnte. So hielten wir bis Schwaney aus und fragten in einer Tankstelle nach einem WC. Wir kamen mit dem Mitarbeiter ins Gespräch, der uns gleich zu einem Cappuccino einlud. Das Getränk wärmte uns etwas auf. Im Nachhinein hätte dieser freundliche Mensch den Senf des Tages verdient, aber das stellte sich erst später heraus. 

Paderborn_08_Schwaney.jpg

In der Ortschaft Dahl geht man bei ungemütlichem Wetter wohl weniger vor die Türe. Christiane und ich hatten uns vorgenommen, den nächsten Passanten nach einer Übernachtungsmöglichkeit in Dahl zu fragen. Fast am Ende des Ortes trafen wir auf eine junge Mutter, die gerade fort fahren wollte. Man merkte sofort, dass sie sich von unserer Frage belästigt fühlte und so kam diese Antwort nicht überraschend: "Gehen Sie in diese Richtung, dann erreichen Sie in ca. 6 km Paderborn. In Paderborn finden Sie mehrere Hotels!" 

Christiane holte kurz Luft und schnaufte los: "Wenn Sie wüssten, was wir schon hinter uns haben, würden Sie uns nicht bis nach Paderborn schicken!" Sie hatte Recht, die Frau hatte keine Worte mehr und wir hatten genug Zorn in den Knochen, um weiter zu wandern. "Ne! Dahl ist schön!" sagte Christiane und schon konnten wir wieder lachen. 

Fast wortlos bestritten wir den Weg bis Paderborn. Irgendwie hatte ich von Anfang an den Gedanken, dass man sich spätestens am dritten Tag fragt, ob die Anstrengungen es wert sind, die man für das Pilgern auf sich nimmt. Ist man als bequemer Autofahrer überhaupt noch in der Lage, tagelang etwa 20 km zu Fuß zurückzulegen, ohne sich zu fragen, ob man mit dem Auto nicht viel schneller und bequemer reisen könnte?! 

Paderborn_03_Geschwindigkeitsrausch.jpg

Ich versuchte, über das Wandern wieder positiver zu denken, während wir den Rand von Paderborn ankratzten. Als wir endlich die Jugendherberge erreichten, war eine weitere Stunde vergangen. Die Stufen, die wir bis zum Anmeldebüro nehmen mussten, konnten wir nur überwinden, weil wir nicht auf der Straße schlafen wollten. Da die Dame an der Anmeldung uns emotionslos ein 6-Personen-Zimmer im Dachgeschoss zuwies, behielt ich das Gläschen Senf in meinem Rucksack und ärgerte mich jetzt erst recht, dass ich es nicht in Schwaney an den netten Tankstellenmann verschenkt hatte. 

Ein Mädchen auf dem Flur schlug die 5 Euro aus, mit denen ich sie versucht hatte, zu bestechen, um uns Bettwäsche aus dem Kellergeschoss zu holen. Also blieb mir nichts anderes übrig und meine gequälten Füße trugen mich zum Wäscheregal in den Keller. Christiane und ich bezogen unsere Betten, massierten unsere schmerzenden Muskeln mit Öl und überlegten beim Probeliegen, ob wir noch zum Essen gehen. So hungrig kann man gar nicht sein, wenn sich der Speisesaal ebenfalls... im Keller befindet!

 
  • Kommentar schreiben
  • Eintrag versenden

Bad Driburg

Christiane schlug dankend die Tüte Kekse aus und nahm selbstverständlich meine Entschuldigung an. Um zu überlegen, wie es nun weitergehen sollte, setzten wir uns auf eine der Bänke vor der verschlossenen Jugendherberge. Auf dem Weg durch die Innenstadt hatten wir viele Unterkünfte gesehen, die wir nun abklappern müssten, um ein Nachtquartier zu finden. Also rückten wir unser Gepäck zurecht und stapften gemeinsam los.

Gleich im ersten Hotel hatten wir Glück. Wir erzählten der freundlichen Chefin des "Braunen Hirsch" von unserer Misere und bekamen direkt das gemütliche Zimmer im Dachgeschoss. Der Preis für ein Doppelzimmer war akzeptabel und die Aussicht auf ein reichhaltiges Frühstück nahm uns die letzten Zweifel. Im Zimmer angekommen, schwärmten wir gemeinsam von dem Gräflichen Park Bad Driburg, den wir durchquert hatten, bevor wir die Fußgängerzone erreichten. Normalerweise zahlt man für den Besuch im Park Eintritt, doch wenn man sich als PilgerIn zu erkennen gibt, darf man den Park kostenlos besuchen.

 
00_Bad_Driburg_Graefl._Park.jpg

Obwohl die vielen Treppenstufen zum Zimmer sehr mühselig waren, entschloss ich mich, den lange geplanten Besuch in der Driburg-Therme noch an diesem Abend wahr werden zu lassen. Christiane entschied sich für die waagerechte Position, also zog ich alleine los. Im Restaurant im Erdgeschoss des Hotels war der Teufel los. Es gab kaum einen freien Tisch. Ich suchte nach der Chefin, um mir den Weg zur Therme erklären zu lassen. Kurzerhand griff sie, mit der Begründung, dass bald Kassenschluss sei, zu den Autoschlüsseln und fuhr mich zum Schwimmbad! Mit dieser tollen Aktion hatte sie sich das Gläschen Schwerter Senf, welches sehr freundliche Menschen auf unserem Pilgerweg bekommen, auf jeden Fall verdient.

Meine müden Knochen und Muskeln waren dem entspannenden Salzwasser sehr dankbar. Ich suchte mir einen Sitzplatz an einer Düse aus, um mir die schmerzenden Schultermuskeln massieren zu lassen. Zu dieser Uhrzeit waren nicht mehr viele Badegäste anwesend. Ich hatte das Gefühl, dass das Bad nur auf mich gewartet hatte ;) Diese Art von Umkleidekabinen kannte ich nicht: Jede Kabine war mit einer Dusche ausgestattet. So konnte man ausgiebig duschen, sich abtrocknen und anschließend ankleiden, ohne über nasse Flure laufen zu müssen. Ich fand diesen Luxus sehr hygienisch und angenehm.

Den Rückweg zum Hotel, den ich zu Fuß nahm, nutzte ich, um mit zu Hause zu telefonieren. Während der Wanderungen versuche ich, ohne Handy als Telefon auszukommen. So ist es Abends etwas besonderes, wenn ich mit der Familie Kontakt aufnehmen kann. Trotzdem habe ich den Knochen oft in der Hand, denn hier und da schieße ich ein Foto, welches ich dann gleich per sms an die Lieben schicke. Irgendwie sind sie immer in meinen Gedanken.

Wir sind immer wieder erstaunt, dass Wandern nicht hungrig macht. So gingen wir ohne Abendessen ins Bett, obwohl der Duft aus der Restaurantküche bis in den Flur reichte. Es dauerte nicht lange und mir fielen die Augen zu, ohne Gedanken im Kopf - weder gute noch graue. Mein letzter Denkblitz drehte sich lediglich um die Frage, ob wir uns wohl am Frühstücksbuffet ein Brötchen zum Mitnehmen belegen dürften. Von Bad Driburg bis nach Paderborn sollten es 22 km Fußweg sein.



 
 

 

 
  • Kommentar schreiben
  • Eintrag versenden

Brakel - Bad Driburg

Nachdem die Klosterschwester uns so herzlich an der Tür empfangen hatte, überlegte ich schnell, wie wohl mein "Plan B" aussehen würde. Ich hatte damit nicht gerechnet, abgewiesen zu werden. Christianes Blick drückte die pure Enttäuschung aus. Wir hatten nach ca. 30 km keine Kraft mehr, um nach einer anderen Übernachtungsmöglichkeit zu suchen. Schnell meldete sich die Nonne wieder zu Wort und machte uns ein Mehrbettzimmer ohne weitere Gäste inklusive Vollbad schmackhaft. In meinen Vorstellungen von einer Nacht im Kloster schwebte mir ein unbequemes Feldbett in einem feuchtkalten Raum mit kleinem Fenster vor. Wir bezogen umgehend die Räumlichkeiten, um anschließend die freundliche Einladung zum Abendbrot anzunehmen.

Brakel_01_Abendbrot.jpg

Der Tisch war reich gedeckt: Es standen mehrere Brotsorten zur Verfügung, welche wir mit guter Butter, Wurst und Käse belegen konnten. An jedem Gedeck stand ein kleiner Joghurt und die bauchige Teekanne war tatsächlich mit dem von mir gewünschten Früchtetee gefüllt. Sobald die nette Dame das kleine Speisezimmer verlassen hatte, stürzten wir uns wie fast verhungerte Tiere auf unser Abendessen. Ich hätte nicht gedacht, dass das Brot für uns beide reicht, aber am Ende lag doch noch eine verwaiste Scheibe auf dem Teller.

Wir verabschiedeten uns für den Tag, überreichten Schwester Ignatia als Dank für die Gastfreundlichkeit ein Glas "Schwerter Senf" und sehnten uns nach einer heißen Badewanne. Ich war die Erste und genoss den prickelnden Badeschaum für einige Zeit. Als ich ins Bettenzimmer kam, fand ich Christiane unter dem dicken Federbett. Sie grummelte etwas von "Lass mich in Ruhe" und schlief weiter. Als ich mir den Deckenzipfel über das Ohr zog, war es viertel vor acht!!!

Brakel_02_Bettenzimmer.jpg

Vor dem Frühstück waren wir zur Messe verabredet. Der Wecker holte mich aus dem tiefsten Schlaf und es fiel mir schwer, meine müden Knochen zu sortieren. Durch den Pfarrer wurden wir der Gemeinde als 2 fleißige Pilgerinnen vorgestellt, die großes Glück hatten, auf Anhieb eine freie Unterkunft gefunden zu haben. Nach der Messe, die nur so mit Liedern gespickt war, packten wir unseren Rucksack und gingen zum Frühstück. Der Pfarrer begrüßte uns noch einmal persönlich und interessierte sich sehr für unseren Antrieb zum Pilgern. Schwester Ignatia übergab uns ein reichhaltiges Vesperpaket inklusive selbstgemachter Klosterkekse, einen wunderschönen Talisman in Form eines Heiligen Jakobus und entließ uns mit lieben Worten zur nächsten Etappe.

Brakel_04_Vesperpaket.jpg

Brakel_03_Talisman.jpg

Von Brakel bis nach Bad Driburg erwarteten uns schlappe 16 km. Also schlenderten wir los. Der Weg war gut ausgeschildert und das Wetter war sehr angenehm. Wir kamen zügig voran. Der Rucksack schmerzte anfänglich auf den Schultern, doch mit der richtigen Gurteinstellung konnte man dem Ziehen der Muskeln entgegenwirken. Um das Lunchpaket zu vernichten, suchten wir uns ein schattiges Plätzchen und fanden einen dicken Baumstamm, der am Waldrand lag. Die Nonne hatte uns viel zu viel eingepackt, so probierte ich nach zwei Broten und einem Apfel nur einen Keks, während Christiane die komplette Ration an Keksen vernaschte.

Brakel_05_Zweites_Fr_hst_ck.jpg

Die Kekse waren echte Energiewunder! Gerade noch steckte uns die Anstrengung des Vortages in den Knochen, so verspürten wir nach unserem zweiten Frühstück grenzenlose Energie. Also wanderten wir weiter. Leider verfranzten wir uns an einer Pferdekoppel dermaßen, dass wir etwa eine Stunde lang nicht vom Fleck kamen. Wir hatten das Gefühl, dass die drei Pferde sich von den beiden Damen mit Rucksack schon sehr belästigt fühlten. Während sie zu Beginn noch den Kopf hoben, sobald wir wieder vorbei kamen, grasten sie nun einfach weiter. Ich kam mir vor, wie die Kraniche am Himmel auf der Suche nach der richtigen Luftströmung.

Plötzlich tat sich der Wald auf und wir entdeckten fast gleichzeitig die nächste Muschel an einem Baum, der etwas weiter hinten stand und wir rasten drauf los. Schließlich hatten wir schon wieder etwa vier Kilometer unfreiwillig draufgelegt. Gerade als wir in Fahrt kamen, löste sich der Schnürsenkel an Christianes Schuh, den sie sich gleich vornahm. Ich erschrak, als ich die nächste versteckte Muschel entdeckte, denn ohne diesen Zufall wäre auch sie uns verborgen geblieben. Wir verließen den Zauberwald und erreichten ohne weitere größere Schwierigkeiten Bad Driburg.

Um nicht schon wieder an der Herbergstür überrascht zu werden, wollte Christiane dieses Mal unsere Ankunft anmelden. Schließlich liegen Jugendherbergen oft oberhalb der Stadt und wir hatten an diesem Tag bereits mehr Kilometer gemacht, als geplant. Weil niemand ans Telefon ging, bestand Christiane darauf, ein Hotelzimmer zu suchen und nicht erst noch zur Jugendherberge zu wandern. Sie hatte so richtig keinen Bock mehr und fand es auch ziemlich blöd, nicht im Voraus die Unterkünfte zu buchen. Ich schlug ihr vor, die Verantwortliche für die nächste Etappe zu sein, dann würde ich mit ihr gehen.

Brakel_06_Ziemlich_entkr_ftet.jpg

Wir zankten uns und waren schon im Begriff, uns für heute zu trennen und uns am folgenden Tag nach dem Frühstück wieder zu treffen, als sie dann doch einwilligte, den steilen Weg zur Jugendherberge zu nehmen. Jetzt hatte ich kein gutes Bauchgefühl mehr und bot Christiane meine Tüte Klosterkekse an, sollte die Jugendherberge geschlossen haben. Im Leben hätte ich nicht geglaubt, dass wir vor verschlossenen Türen stehen würden. Ich rief die Notnummer an, die ich am Eingang fand und sprach auf das Band. Bis heute hat mich keiner zurück gerufen!

 
  • Kommentar schreiben
  • Eintrag versenden
Über mich
21Publish - Cooperative Publishing